Der Drache Runark
Mutter Natur
Die Geschichte des Somaar
Der Drache Runark
Von den ersten Tagen des Solanischen Reiches wissen die Gelehrten nicht mehr sehr viel. Durch die stetigen Kämpfe der Herrscher Familien untereinander, sind viele der alten Aufzeichnungen verschollen oder vernichtet worden. Doch die Geschichte, die ich hier erzählen möchte kann durch alte Schriftrollen die sich in der Bibliothek des Herzogs befinden belegt werden.
Das Reich ward der totalen Zerstörungs- und Vernichtungswut der Herrscher ausgesetzt, die sich ein erbitterten Kampf um die Herrschaft des Reiches Solania leisteten. Viele Menschen, aber auch eine Vielzahl der anderen Wesen, die in Solania ansässig sind, die da wären Elfen, Zwerge und Gnome, ließen ihr Leben. Gezwungen zum Kampf, entführt aus ihren Dörfern ließen sie sich zur Schlachtbank führen. Um dort auf dem Felde der Ehre in ihrem eigenen Blute zu erliegen. Eine finstere Zeit voll Pein und Furcht, voll Hass und Wut ward uns beschert. Und doch ein Jüngling reinen Geschlechts und direkter Blutslinie zum Thron wollte all den Kummer und all das Leid der Leute lindern. Er hatte die wahnwitzige Idee den Bewohnern Solanias Frieden zu bringen.
Er besann sich auf die ältesten und weisesten Bewohner des Reiches, er besann sich auf die Drachen. Er zog aus und suchte sie, denn sie haben sich bei all den Unruhen weit zurückgezogen um in friedlicher Abgeschiedenheit ein besinnliches Leben zu führen. Er wanderte über Berge und durch Täler, durch Wälder und Auen. Immer mehr Menschen folgten und schlossen sich ihm an. Er fand treue Freunde, die in aller Not an seiner Seite standen, doch die Drachen, nein, die Drachen fand er nicht.
Es schien ihm eine Ewigkeit, seine unendliche Suche nach den Drachen sollte doch belohnt werden. Die Hoffnung auf Frieden, die Hoffnung auf den Thron bereits entsagt, fand er wonach es ihm begehrte. In einer Felsspalte die so groß war wie ein Wehrturm, entdeckte er, dass es keine Felsspalte, sondern vielmehr der Eingang zu einer gewaltigen Höhle sein musste. Er stieg hinab in die Höhle und es ward ihm ein beschwerlicher Weg, denn der schwefelhaltige Geruch der tief aus dem inneren der Höhle trat, nahm ihm zeitweise den Atem. Ihm wurde warm und wenig später entledigte er sich seiner Rüstung, denn die Hitze ward ihn unerträglich. Dann sah er eine Halle, die wie aus Stein geschlagen vor seinen Augen sich auftat und von fern hörte er eine tiefe und raue, doch freundlich klingende Stimme sprechen: „Ein Mensch… einen Menschen sah ich seit vielen Jahren nicht mehr. Wer seid ihr und was wollt ihr hier – im Reich des Drachen Runark.“ Der Jüngling erschrak und fürchtete dem Tod selbst begegnet zu sein. „Mein Name ist Lothrian Berack und ich bin auf der Suche nach den Drachen des Reiches Solania“, sprach er. Und die Stimme antwortete: „Was begehrt ihr von ihnen, ihr die Menschen, die uns vertrieben habt durch euer grausames Treiben?“ Langsam richtete sich Lothrian auf, um erhobenen Hauptes und voller Stolz zu sprechen: „Hilfe, ich möchte euch um Hilfe bitten. Diesem sinnlosen Sterben muss ein Ende gesetzt werden, und nur ihr seid in der Lage dieses zu tun. Das Land muss endlich wieder zur Ruhe kommen.“ Er hatte Glück, der Drache war ihm wohl gesonnen, was anscheinend daran lag, dass er auf dem Wege hinab in den Schlund der Höhle seine Rüstung ablegt hatte. So musste der Drache glauben, dass er in friedlicher Absicht zu ihm herab gestiegen war. Und so erzählte er dem Drachen Runark von einem friedlichen Solania, von einem am Boden liegendem Reich, dass wieder erblühen könnte in einem nie da gewesenem Glanze. Er redete von einem Miteinander anstatt eines Gegeneinander und von Handel. Von Wohlstand anstelle von Hunger und Not. Er sprach von idyllischen Landstrichen, die von der Morgensonne geküsst, langsam ihr glänzendes Fell des Morgentaues ablegen anstelle von Knochenübersäten Tälern in denen blutig der Hauch des Todes kriecht. Von Festen und Fröhlichkeit, die die Einwohner hinaus singen in die sternenreiche Nacht, anstatt von Angst und Furcht, die sie erzittern lässt. Und dann war es Stille im steinernen Saal des Runarks. Bedächtig und noch in dem Traum versunken, den Lothrian ihm schilderte, schreitet Runark auf den Jüngling zu. WIhr habt ein gutes Herz junger Herr und gern würde ich euren Traum wahr werden lassen, doch mein Herz ist müde und gebrochen von all denen, denen ich leichtfertig glaubte. Und erkennen musste auch, dass die Menschen nur die Macht des Reiches an sich reißen wollten. Zu oft schon wurde ich von euren Adligen Verraten und verkauft…“
„So nehmt mein Leben als Pfand“, unterbrach ihn Lothrian, „ich kann euch nichts anderes anbieten als mein Wort und mein Leben, doch weigere ich mich zu glauben das wir verloren sind. Ist in euch den kein Fünkchen Hoffnung und Ehre mehr. Haben die Menschen euer Herz versteinert,…. Ich bitte euch,…. so helft uns Herr,…. Bitte.“
„Nun gut junger Lothrian ich will eure Bitte im Rat der Drachen vorbringen und wir werden beraten was zu tun wir gedenken. So wartet, wartet auf meine Wiederkehr und ihr werdet erfahren wie der Rat beschlossen hat, zu handeln.“ Der Drache flog fort, getragen von seinen majestätischen Flügeln dessen Schlag in der Luft den Wind zum heulen brachte.
2 Tage und 2 Nächte wartete Lothrian bereits als in der dritten Nacht der Drache zurückkehrte. „Steht auf junger Lothrian, steht auf und hört wie der Rat entschieden hat. Wir werden euch vertrauen, und wir werden euch helfen. Aber verlangen wir von nun an bis in alle Zeit in Frieden leben zu können und das ihr euren Traum von Solania zum Leben erweckt. Doch auch warnen soll ich euch, Verrat wird für euch und für das Reich den Tod bedeuten, wir werden es mit Feuer übersähen und euch und die euren bekämpfen bis niemand mehr am Leben ist. Also, seid auf der Hut junger Herr und kommt mit mir. Die Drachenschar sammelt sich bereits und ihr müsst euer Heer sammeln, denn nur gemeinsam werden wir den Sieg erringen oder gemeinsam untergehen.“ So kam es zum Kampf Gut gegen Böse.
Die Morgensonne kämpfte sich an jenem Tage nur mühselig durch den aufsteigenden Nebel. Und der Himmel trug ein Trauerkleid in grauen Farben. Leise schob der Wind den Nebel vor sich her in Richtung einer rauen und grobkantig wirkenden Steilwand. Diese Steilwand ging entlang, durch das ganze Tal und wurde nicht mal durch eine Felsspalte unterbrochen. Gewaltig stand sie da wie die Zuschauertribünen auf einem Ritterfeste. Durch die Felswand war die linke Seite des Heeres, das sich um Lothrian bildete geschützt und seine Reihen standen auf dem höchsten Punkt des Tales. Zu seiner Rechten zog sich das Tal so weit sein Auge blicken konnte, doch wusste er, dass dort zur rechten ein Fluss sich durchs Tal schlängelte. Nicht reißend aber tief genug, um in Rüstung darin zu ertrinken. Eine Trommel erklang und die Streitmacht seiner Widersacher formierte sich auf der gegenüber liegenden Seite des Tales. Auf einen seiner Manen kamen fünf seiner Gegner, ohne Unterstützung wäre diese Schlacht verloren, bevor sie begonnen hätte. Und so machte sich Unruhe in seinen Reihen breit. Ein wildes Getuschel und Gemurmel, dessen Bedeutung er nicht erraten konnte. Und während die Sonne mit ihren gleißenden Strahlen noch versuchte die kühle Morgenluft zu erwärmen begann die Schlacht. In der Mitte des Tales trafen die Heere aufeinander, ein heftiger metallischer klang war zu hören als die Reihen zusammen stießen, gerade so, als ob der Dämon des Todes in der Hölle ein Schwert schmiedete und die Weltenkugel als Amboss nutzte. Schreie waren zuhören und Männer sanken tödlich getroffen zu Boden. Der Boden färbte sich rot und die reihen des Lothrians wurden zurück gedrängt. Doch hinter Lothrians Heer färbte sich der Himmel, als ob die Sonne sich das blutige Treiben nicht mehr ansehen wollte. Die Drachen griffen an, grade noch rechtzeitig, denn der Feind war stärker als sie alle dachten. Die Klauen schlugen sich in die hilflos flüchtenden Recken des Feindes, tief in das Fleisch. Feuersäulen schossen vom Himmel hinab und ließen den Feind zu Asche verfallen. Es war vollbracht, die Schlacht war gewonnen und während die siegreichen Mannen jubelten und sich über den Sieg freuten, stand Lothrian wie erstarrt da. Runark landete neben ihm und sah, dass Lothrian weinte. „Seht es euch an Runark, der Freund schlug den Freund, der Bruder schlug den Bruder. Wir haben nicht einen Feind besiegt, wir haben uns besiegt.“ Und Runarks Blick wanderte über das Tal. Rauchschwaden stiegen empor als wollten sie zum Gedenken mahnen, Tote lagen über das gesamte Tal und das ehemals grüne Gras. Rot, getränkt vom Blute der Toten. „Frieden, soll das nun der Frieden sein? Zu hoch war der Preis den wir bezahlen mussten.“
Die Recken hörten seine Worte und verstummten, ja sie schämten sich gar über ihren Sieg.
Die Jahre vergingen und das Land gedeihte in den darauf folgenden Jahren des Friedens. Lothrian hielt seine Versprechen, doch die Drachen zogen sich zurück und wurden bald vergessen. Zu Ehren der Drachen, die ihm halfen das Land den Frieden zu bringen, trug er fort an einen Drachenkopf als Wappen. Man sagt noch heute, dass es das Abbild von Runark sei.
Wenn man heute noch durch das Tal der blutigen Schlacht zieht, und der Wind wie an jenem Morgen den Nebel zur Steilwand treibt, hört man den Wind davon erzählen und man vermeint den Lärm des Kampfes noch immer zu hören, der einst den Frieden brachte.
Lothrian wurde ein gerechter und weiser Herrscher und das Volk respektierte und achtete ihn. Die Drachen aber sah man seitdem nicht wieder. Man glaubt sie wären in ihre Höhlen zurückgekehrt und sahen mit Freude wie Lothrian das Land zum erblühen brachte.
Ob es sie noch immer gibt?
Nun, zieht aus und sucht sie, wie einst der junge Herr Lothrian.
Mutter Natur
Langsam versinkt die Sonne am Horizont und verzaubert das Land mit wunderbaren Farben.
Noch warm haucht der Wind seinen Atem über die Lande und küsst die Natur mit seinem Nebelkleid. Das sonst so muntere Singen der Vogelwelt scheint langsam zu verstummen und die Tiere des Waldes und der Wiesen lassen sich von dem herannahenden Abend verführen. Die sonst so scheuen Rehe trauen sich, wenn auch nur langsam aus den tiefen Wäldern und stärken sich an den Früchten der Felder. Ihr Auftreten scheint jetzt ohne Angst zu sein, die sie tagsüber im Schutz der Wälder fesselt.Kleine Gruppen von Hasen sitzen hier und da in den Rüben und mümmeln friedlich ohne Hast.
Still wiegen sich das Getreide der Felder und die äste der Bäume im Takt des Windes.
Die Moore und Seen versinken immer mehr in dem Nebelkleid und hinterlassen ein schaurig schönes Bild. über dem Meer hat sich der Horizont dunkel verfärbt und hin und wieder durchziehen Blitze den Abendhimmel. Die Wellen schlagen nun stärker gegen das Land und ihr Rauschen verheißt eine unruhige Nacht.
Einige Fischerboote tanzen unruhig auf See, als wenn sie sagen wollten, „Herr bringe uns nach Haus in den schützenden Hafen die Nacht kommt“, doch die Fischer überhören dieses Flehen, denn die Arbeit ist noch nicht ganz getan. Ja, die Kinder, die noch sehr jungen, werden nun mehr oder weniger quengelnd zu Bett gebracht, und einige ältere kauern heimlich hinter Sträuchern und Häuser und versuchen sich am Rauchkraut. Die letzten Bauer schleichen doch recht müde von den Feldern und freuen sich auf Speis und Trank, dass sie zu Haus oder in der Taverne erwartet.
Das Getreide wiegt sich nun stärker im Takt und es beginnt ein Lied zu singen, aber dieses Lied verheißt nichts Gutes. Sturm hat sich angesagt. Aus dem Singen des Windes wahrt langsam das Wehklagen der Nacht. Das Vieh auf den Weiden und in den Ställen kommt nicht zur Ruh. Es verhält sich merkwürdig, als wenn man seine Hand in einen Ameisenhügel legt. ängstlich schauen die Menschen in den Abendhimmel. Die sonst so ruhige Fahrt der Wolken wird von den Winden so aufgehetzt, dass es sich jetzt um eine Flucht handelt. Eilig suchen die Lebewesen Schutz zu finden. Plötzlich durchbricht ein merkwürdiger Laut das Treiben des Landes; selbst das herannahende Unwetter scheint einen Moment inne zu halten.
Dieser Laut dringt durch Mark und Bein. Er scheint aus allen Himmelsrichtungen zu kommen.
Die Fischer auf See schrecken hoch, lassen die Arbeit enden und eilen gen Land zum sicheren Hafen.
Die Kinder in ihren Betten kauern sich ängstlich unter ihren Fellen; die Mütter, von Angst erfüllt schließen eilig die Fensterläden und suchen Schutz beim Manne. Die Rehe recken ihre Köpfe. Wieder dieser Laut. Noch durchdringender als vor ein paar Momenten. Wie vom Wolf gejagt eilt das Wild in den Wald. Bloß tief in den Wald ins Geäst. Schutz ist jetzt der Lebenswille.
Die Sonne ist nun ganz verschwunden. Dunkelheit wo hin das Auge blickt. In weiter Ferne beginnt es zu Grollen. Das Unwetter mit Gewitter, Sturm und Regen hält nun Einmarsch ins Land.
Wieder, nun majestätischer, durchwandert dieser unheimliche Laut das nun leere Land. Der Laut warnt noch einmal, „Schutz, sucht alle Schutz, damit euch die Reigen des Unwetters nicht holen.“ Das Treiben im Land und der warnende Laut verstummen; das Unwetter hält Einzug.
Dieser Laut, der das Blut in den Adern gerinnen lässt und die Lebewesen vor dem Unwettern warnt, ist so alt wie die Zeit. Woher dieser Laut stammt, weiß keiner so genau.
Manche Menschen, darunter auch Gelehrte, vermuten, dass es sich um das Gebrüll eines mächtigen Hirsches, dem König der Wälder, handelt. Doch Elfen, Gnome, Zwerge und Waldläufer und andere Lebewesen des Waldes erzählen sich etwas anderes…
Lang vor dem Leben, so wie wir es kennen, weit zurück in der Zeit, gab es nur eine Einöde in unseren Land. Es bestand aus einem schroffen Felsen, der an das Meer grenzte.
Die Schöpferin allen Lebens, Mutter Natur, betrachtete eines Tages die Erde. Ihr fiel die Einöde auf und sie dachte: „Die Erde ist mir gelungen, doch dieser Landstrich am Meer gefällt mir nicht.“
Das Meer begann unruhig zu werden. Wellen türmten sich auf und wurden zu richtigen Giganten. Dann passierte es, die gigantischen Wellen schlugen mit ungeheurer Kraft auf die Felsen auf. Ein Grollen, Zischen wart zu hören; der Himmel verdunkelte sich.
Die Felsen zerbarsten in unzählige Scherben. Plötzlich beruhigte sich das Meer wieder und der Himmel hellte auf. Mutter Natur blickte um sich. Noch war nicht viel geschehen,
da erblickte sie vier riesige Felsen im Scherbenmeer. Mutter Natur hauchte den Atem des Lebens über das Land. Plötzlich veränderte sich die Einöde. Es bildeten sich Wälder, Auen, Seen und Gebirge.
Die kleinsten Felsscherben verwandelten sich in Getier, vom kleinen Krebs bis hin zu großem Elch.
Mutter Natur begann zu Lächeln. Schon besser dachte sie sich. Was das schöne Treiben jetzt noch störte, waren die riesigen Felsscherben. Mutter Natur ließ die Sonne noch stärker werden. Wieder blies sie ihren Hauch über das Land. Da geschah es: die vier Felsen zerbarsten und unter ihrer Schale kamen Tiere zum Vorschein, die noch keiner bis her erblickt hatte. Es waren große Tiere, die größten überhaupt.
Der mächtige, von einem Schuppenpanzer geschützte Körper, wurde getragen von vier gewaltigen Beinen mit großen Tritten. Auf einen langen Hals thronte der übermäßige Kopf.
Auf dem Kopf trugen die Tiere zwei Hörner und auf der Schnauze ragte ein ganz besonders großes Horn.
Diese Tiere hatten auch Flügel, die gigantisch waren. Und zu guter letzt, als Schutz gegen Feinde konnten diese Tiere Feuer speien. Mutter Natur schaute auf ihr besonderes Getier. Es war einzigartig.
Sie nannte dieses Getier, Dragus, was in der Gelehrtensprache übersetzt Drache bedeutet.
Sie gab den Drachen Namen, aber auch Aufgaben. Der erste Drache trug den Namen Nabour. Er war der Wächter des Lebens und der Natur. Der zweite hieß Ozangur, der Wächter des Meeres und des Wassers. Der Dritte, war der Wächter des Winde und des Wetters, und hieß Stormaag. Der vierte, er war der schmächtigste von allen, wurde Cragon genannt. Er war der Wächter des Glaubens und des Undenkbaren. All diese Drachen waren die Söhne von Mutter Natur und die Wächter des Landes.
Das Land und seine Lebewesen begannen zu blühen. Aber dann geschah das, was nie passieren sollte.
Stormaag hatte Gefallen daran gefunden, das Land mit Unwettern zu überziehen. Lebewesen verloren ihr Leben, Natur wurde zerstört. Dieses erzürnte Mutter Natur sehr. Sie hatte die Drachen gesandt, um das Gleichgewicht im Land zu erhalten, so wie es das Leben vorschreibt. Aber Stormaag hielt sich nicht daran. Immer wenn sich das Land nach seinem Treiben erholt hatte, schickte er neue Unwetter los. Wieder verwandelte er das Land in ein Chaos. Auch Nabour gefiel das Treiben seines Bruders nicht. Er ermahnte ihn immer und immer wieder, doch Nabours Worte blieben unerhört. Stormaag machte immer weiter, er steigerte seine Lust zu zerstören weiter. Immer wenn der Mond voll am Nachthimmel stand, trafen sich die vier Brüder im Drachenhort, um neue Kraft zuschöpfen. Doch diesmal war es anderes. Stormaag lag in seiner Ecke der Höhle, stierte wie wahnsinnig ins Lebensfeuer, welches in der Mitte der Höhle loderte. Nabour und die anderen beiden Brüder Ozangur und Cragon weilten noch vor der Höhle und beratschlagten wie man Stormaag zur Räson bringen könne. Plötzlich kam Wind auf; die mächtigen Tannen vor dem Drachenhort wiegten sich und begannen zu ächzen. Man sah wie ein Licht durch die Bäume fiel. Es kam rasch auf die Drachen zu. Dann wart eine Stimme zuhören. Diese Stimme erklang fast wie ein Lied. Ihr Klang war so liebreizend und zärtlich zu gleich. Die drei Brüder legten sich demütig auf ihre Vorderläufe, breiteten die Flügel aus und neigten demütig ihre Köpfe. Das Licht wurde stärker und kam kurz vor den Drachen zum Stehen. In dem Licht war eine Frau zu sehen. Ihr goldenes und langes Haar bewegte sich im Wind. Die Augen strahlten, sie waren so grün wie der Wald und klar wie ein Bergsee. Die Frau lächelte sanft, so dass einem das Herz zu zerspringen begann.
Es war die Mutter der Drachen, die Mutter allen Lebens. „Gegrüßt seid ihr, Kinder des Lebens, blicket auf.“ Die Drachen reckten die Köpfe. Sie lauschten den Worten von Mutter Natur. Mutter Natur lobte das Tun der Drachen, doch sie tadelte das Werk von Stormaag. Sie mahnte noch einmal, dass das Leben im Gleichklang bestehen müsse, sonst hätte die Dunkelheit, das Böse leichtes Spiel.
Und wenn alles aus dem Gleichgewicht geriet, dann würde das Feuer des Lebens im Drachenhort für immer erlöschen. Mit diesen Worten verschwand Mutter Natur in einem grellen Licht. Dieses Licht fuhr wieder durch die Bäume und erlosch. Es wurde wieder windstill. Die drei Drachen blieben zurück. Nabour, der älteste und größte Drache, betrat die Höhle und rief mit fester Stimme den Namen seines Bruders, der immer noch ins Feuer stierte. Der aber reagierte nicht.
Nabour wurde so ärgerlich, das er seinem Bruder Stormaag mit aller Kraft in die Seite stieß.
Stormaag brüllte, stand auf, breitete seine Flügel aus, stellte sich auf und fletschte mit seinen Zähnen.
Nabour zeigte keine Angst. Er sprach auf Stormaag ein, ermahnte ihn. Doch seine Worte und die Worte der Mutter verhallten ungehört in der Höhle. Dann passierte es: Es kam zum Kampf der Gebrüder.
Zwei riesige Körper prallten gegeneinander. Gebrüll aus Schmerz und Kraft war zu hören.
Ozangur und Cragon betraten den Drachenhort. Sie forderten die kämpfenden Drachen auf, aufzuhören und eine andere Lösung zu finden. Doch dann ein Schmerz durchzogenes Gebrüll. Nabour war verletzt worden, er stürzte zu Boden. Was war geschehen? Nabours mächtiges Horn auf der Schnauze war im Kampfe abgebrochen. Blut rann aus der Wunde. Stormaag ließ von seinen Bruder ab und verkroch sich in einer Ecke und knurrte siegesbewusst. Nabours Augen tränten vor Schmerz.
Noch leicht benommen richtete er sich auf, wankte zu Stormaag, holte mit seiner rechten Pranke aus und versetzte seinen Bruder einen so heftigen Schlag, das Stormaag bewusstlos zur Seite flog. Dann tauchte aus dem Nichts Mutter Natur im Drachenhort auf und sah das Unglück. Sie ging auf Stormaag zu und erweckte ihn aus seiner Ohnmacht. Verängstigt vor der Strafe die kommen würde, kauerte er sich zusammen. Die Mutter sprach. „Musste es so weit kommen, dass sich Geschwister bekämpfen und einander hassen.“ Ich habe euch geschaffen, um das Leben zu schützen und nicht zu zerstören.
Stormaag, sieh was du angerichtet hast, nicht nur das du Unglück über Land und Leben brachtest, nein, du verletztest deinen Bruder und brachst ihm das Horn ab, der Stolz und magische Schutz eines jeden Drachen. Zur Strafe verbanne ich dich. Du sollst nun von deinen Brüdern getrennt leben. Fristen wirst du dein Dasein auf einem Eiland weit auf dem Meer. Deine Flügel sollen dich nicht mehr tragen, so dass du das Eiland nicht mehr verlassen mögest. Um das Eiland leg ich noch dichten und schweren Nebel, auf das du nie mehr den Weg zum Drachenhort findest. Du sollst mir weiterhin als Wächter des Windes und des Wetters dienen. Aber jedes Mal bevor eines deiner Unwetter über das Land einbricht, soll der Laut aus dem abgebrochenen Horn deines Bruders Nabour ertönen, so dass alles Leben im Land vor dem Unwetter und deinem üblen Machenschaften und Charakter gewarnt sei, dass keiner durch deine Launen zu schaden kommt.“
Nach den Worten von Mutter Natur, hüllte sich Stormaags Körper in ein Licht ein und verschwand.
Mutter Natur heilte nun die Wunde auf Nabours Schnauze und nahm das Horn an sich.
Die drei Drachen hatten den Worten ihrer Mutter gelauscht und versprachen ihr, immer treu und gerecht zu dienen. Mutter Natur brachte das Horn zu einem Stamm von Menschen der auf dem benachbarten Gebirge in dichten Wäldern lebte. Sie überreichte dem Stammesältesten das Horn, mit dem Auftrag, das Horn zustoßen immer wenn ein Unwetter im Herannahen ist und das Horn mit ihren Leben zu schützen und es niemanden zu überlassen.
Von diesem Tage an wart das Horn nicht mehr gesehen.
Und der Stamm, der das Horn besaß, verschwand irgendwann aus den Köpfen der anderen Lebewesen des Landes.
Nur den Laut des Horns, vernahm man noch.
Viele Ritter, Adelige, Gelehrte aber auch Unholde suchten vergebens nach dem Horn, aber es blieb in der Zeit verschollen.
Die Geschichte des Somaar
An knisternden Feuern zur späten Stund des Tages erzählen sich die Bewohner des Landes die Geschichte des alten und weisen Somaar.
Kinder kauern sich neugierig, aber auch ein wenig verängstigt an die Schürzen ihrer Mütter; die Männer stopfen sich genüsslich ihre Pfeifen und erfüllen die Luft mit dem Geruch des süßlichen und edlen Pfeifenkrauts.
Woher der alte Somaar kommt oder wohin er geht, das weiß keiner so genau.
Urplötzlich taucht er auf und bannt die Menschen mit seinen Geschichten oder hilft ihnen mit Ratschlägen.
Wenn sich die Mannen müd vom Feld oder von der Schlacht in der Taverne treffen, dann sitzt er fast zufällig in der Ecke und lauscht dem Treiben der Taverne. Oder man sieht ihn unter einen Baum sitzen, umringt von Kindern, die ihm andächtig lauschen.
Da er immer dann auftaucht, wenn man Hilfe braucht, könnte man glauben der Wind sei sein Gefährte.
In einem Moment sitzt er unter der Dorfeiche, doch Reisende wollen ihn erst vor Kurzem in der Stadt, die doch mindestens zwei Tagesmärsche entfernt ist, gesehen haben.
Wie ist das möglich?
Oder die Ritter und Knappen wollen seine Stimme kurz vor einer Schlacht vernommen haben, die sie vor herannahenden Horden oder einen falschen Schritt warnten. Man hat ihn nicht gesehen, aber seine Stimme ist eindeutig vernommen worden.
Da er den Mannen der Herzogin mit gutem Rat half, wurde der alte Somaar am Hofe sehr geschätzt.
Man sieht ihn nicht oft am Hofe. Wenn er plötzlich auftaucht, geht er stolz seinen langen Wanderstock fest in der Hand zur Herzogin, nimmt sie bei der Hand, führt sie zum Balkon der Burg, weist mit seinem Stock auf das prachtvoll und friedlich liegende Land und spricht immer den selben Satz:
„Haltet dieses Land in eurem Herzen, hütet die Lebewesen, wie ein neugeborenes Kind, gebt vor der Dunkelheit acht und seid gerecht , wie damals euer Vorfahr und der Drache.“
Diesen Satz beendet er immer mit einem sanften Lächeln, was fast göttlich durch seinen langen weißen Bart fällt. Zum Abschied streicht er der Herzogin immer übers Haar, was fast so den Anschein hat, als wenn die beiden ein Band verbindet, fast so wie Tochter und Vater. Doch dieses war nicht möglich, denn der Vater der Herzogin verstarb bereits vor vielen Jahren.
Dann verschwand der alte Somaar immer so schnell, wie er gekommen war.
Ja, viele Rätsel umgeben ihn.
Viele glauben er sei so alt wie die Zeit. Andere glauben Somaar hätte ein Kraut gegen das Altern. Er schien wirklich nicht zu altern. Einige kannten ihn schon von der Wiege auf an, aber er sah immer gleich alt aus, wie ein Mann um die sechzig Lenze.
Es gibt Menschen, die glauben er sei der Drache, der vor Urzeiten mit dem ersten Herzog gemeinsam um das Land kämpfte; andere glauben, dass er ein Geschöpf des Waldes ist, vielleicht der König der Elfen?
Aber da der alte Somaar die Kapuze seines Mantels niemals absetzt, wird man es wohl nie wissen.
Eins kann man wohl sagen, er wird von jedem gemocht und geschätzt, nur das Unheil und die Dunkelheit hat keinen Vertrag mit ihm.